Bonn, Bundeskunsthalle. Ein Ort, an dem gerade nicht über Verwaltungsvorschriften geredet wurde, sondern über nichts weniger als die Zukunft der Städte. Klimaanpassung. Bauwende. Beteiligung. Transformation. Ich war dort als Vertreter der Konferenz für Urban Transformation Design (KfUTD) – und selten war der Kontrast zwischen dem, was möglich ist, und dem, was in Offenburg passiert, so deutlich wie an diesem Tag.
Die Ausstellung WEtransFORM und das Symposium „Raum für Wandel“ zeigen:
👉 Die Lösungen sind da.
👉 Das Wissen ist da.
👉 Der politische Wille entscheidet über alles.
Inhalt
Toggle1. „Die europäische Stadt ist gebaut.“ – Und genau das ist die eigentliche Chance
Einer der stärksten Sätze der Ausstellung lautet:
„Die europäische Stadt ist gebaut.“
Das ist kein resignierter Satz. Es ist eine radikale Erkenntnis. Denn er bedeutet: Weiteres Wachstum auf der grünen Wiese ist keine Option mehr.
Nicht ökologisch. Nicht sozial. Nicht wirtschaftlich. Gleichzeitig fehlt Wohnraum. Quartiere wirken grau und überaltert. Aber: Abriss ist Ressourcenverschwendung. Neubau frisst Energie, Boden und Zeit, die wir nicht mehr haben. Die klare Ansage aus Wissenschaft, Architektur und Stadtplanung lautet:
Revitalize the existing stock – nutzt endlich das, was da ist.
Für Offenburg ist das eine Kampfansage an:
- Flächenversiegelung,
- Abriss-Logik,
- Parkplatzdenken,
- „Wir bauen uns raus“-Illusionen.
Die Zukunft entsteht nicht am Stadtrand. Sie entsteht im Bestand.
2. Klimaresilienz ist kein Öko-Thema mehr – es ist knallharte Gesundheits- und Kostenfrage
Die Bundesärztekammer spricht inzwischen offen aus, was viele Städte noch verdrängen: Hitze wird zum flächendeckenden Gesundheitsrisiko.
Nicht nur für Alte. Nicht nur für Kinder. Für alle. Und die Versicherungen liefern die nüchternen Zahlen dazu: Starkregen, Überflutungen, Gebäudeschäden – Milliardenkosten, die Jahr für Jahr steigen.
Diese Realität trifft auch Offenburg:
- überhitzte Plätze
- fehlende Schattenräume
- lahme Baumpflanzprogramme
- versiegelte Schulhöfe
- und eine Verwaltung, die lieber rechnet als verändert
Die Botschaft aus Bonn war eindeutig:
Klimaanpassung ist keine Option mehr. Sie ist Pflicht.
3. Kreislaufwirtschaft, Materialien, Biodiversität – wir verschwenden immer noch 87 %
Ein Satz aus der Materialforschung hat sich mir eingebrannt:
Nur 13 % aller Baustoffe landen aktuell wieder im Kreislauf.
Das bedeutet: 87 % werden verbrannt, deponiert, verschwendet. Das ist ökologischer Irrsinn – und politisches Totalversagen. Die Ausstellung zeigt längst funktionierende Alternativen:
- Holz, Lehm, Faserstoffe
- wiederverwendbare Bauteile
- modulare Systeme
- begrünte Fassaden
- wassersensible Architektur
Es fehlt nicht an Ideen. Es fehlt an Umsetzung.
4. EU-Mission: 100 klimaneutrale Städte bis 2030 – Offenburg muss sich positionieren

Die Europäische Union sagt klar:
- 100 klimaneutrale Städte bis 2030.
- Diese Städte werden zu echten Experimentier- und Innovationsräumen.
- Andere Städte sollen folgen – bis spätestens 2050.
Mannheim. Aachen. Utrecht. Viele andere sind bereits mitten im Prozess. Und Offenburg? Offenburg diskutiert:
- über Baumfällungen,
- über Gewerbeflächen auf dem Flugplatz,
- über Parkdruck,
- über „Standortvorteile“.
Doch diese EU-Mission wird nicht fragen, ob Offenburg Lust hat mitzuziehen.
Wer nicht gestaltet, wird gestaltet.
5. Bürgerbeteiligung – Verlegenheit in Bonn, Realität in Offenburg
Hier wurde es besonders spannend. Denn nahezu alle Vertreter aus Politik und Verwaltung berichteten auf dem Symposium:
„Wir erreichen die Bürger:innen nicht mehr außerhalb klassischer Beteiligungsformate.“
Also:
- Workshops,
- Online-Plattformen,
- moderierte Dialoge,
- Quartiersgespräche.
Die Klage: Die Menschen kommen nicht. Diese Erzählung steht in krassem Widerspruch zu dem, was wir in Offenburg erleben. Denn hier zeigt sich seit Jahren etwas ganz anderes:
- Engagement ist da.
- Ideen sind da.
- Beteiligungswille ist da.
➡️ Was fehlt, ist die echte Offenheit der Stadt.
➡️ Beteiligung wird zugelassen – solange sie nichts verändert.
➡️ Wer strukturell hinterfragt, wird ausgebremst.
Diese Diskrepanz habe ich in Bonn klar benannt.
Und ja – halb im Scherz, aber mit sehr ernstem Kern – habe ich vorgeschlagen: 👉 Schicken wir unseren Offenburger Oberbürgermeister doch einfach mal zum Hospitieren nach Mannheim. Denn dort wurde auf der Bühne sehr konkret gezeigt:
- Verwaltung kann lernen.
- Beteiligung kann echt sein.
- Stadtentwicklung kann mit der Bevölkerung passieren – nicht gegen sie.
Der Unterschied liegt nicht in den Menschen. Der Unterschied liegt im politischen Willen.
6. Beteiligung ist keine Methode – sie ist eine Haltung
Beteiligung ist kein Planspiel. Kein Online-Tool. Kein einmaliger Workshop. Beteiligung ist eine Entscheidung:
- Traue ich den Menschen etwas zu?
- Will ich Macht teilen?
- Halte ich Kritik aus?
- Bin ich bereit, Kontrolle abzugeben?
Dort, wo diese Haltung existiert, entsteht Beteiligung fast automatisch. Dort, wo sie fehlt, wird Beteiligung organisiert – aber nicht gelebt. Und genau hier liegt der wunde Punkt in Offenburg.
Fazit: Bonn zeigt den Weg. Offenburg entscheidet, ob es mitgeht – oder stehen bleibt.
WEtransFORM ist kein Zukunftsversprechen. Es ist eine Zustandsbeschreibung.
Wir wissen genug.
Wir könnten sofort handeln.
Wir tun es nur oft nicht.
Die Ausstellung zeigt:
- Weiterbauen wie bisher ist keine Option mehr.
- Umbauen ist der Schlüssel.
- Beteiligung entscheidet über Akzeptanz.
- Klimaresilienz entscheidet über Lebensqualität.
Und genau deshalb gibt es die KfUTD. Wir bleiben unbequem. Wir bleiben beharrlich. Und wir werden weiter daran erinnern: Stadt gehört den Menschen. Nicht den Akten.
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