Die Stadt Offenburg legt ihren Geschäftsbericht 2024 zum Fachbereich Tiefbau und Verkehr sowie zur Stabsstelle Mobilität der Zukunft vor. Klingt nach Fortschritt – doch bei genauer Lektüre der Zahlen tun sich zwei gravierende Widersprüche auf: Die Straßen der Stadt zerbröseln, und die Verkehrswende wird faktisch ausgebremst. Ein Kommentar.
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Toggle1. Der Zustand der Straßen: Wenn das Nebennetz zerbricht
Laut Geschäftsbericht hat das Hauptstraßennetz keinen akuten Erneuerungsbedarf mehr – eine gute Nachricht. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: Der Sanierungsbedarf ist fast doppelt so hoch wie 2015. Und was im Nebennetz passiert, ist ein Armutszeugnis für die Infrastrukturpflege:
- Der Erneuerungsbedarf im Nebennetz ist von 7 % (2015) auf 35 % (2025) explodiert – eine Verfünffachung.
- Der Sanierungsbedarf steigt gleichzeitig von 27 % auf 45 % – also: fast jede Nebenstraße ist kaputt (35% + 45% = 80%).
Was das bedeutet? Straßen in Wohngebieten verfallen, während sich das Sanierungsbudget auf Hauptachsen konzentriert. Und das trifft ausgerechnet dort, wo Menschen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Rollator unterwegs sind. Wo Kinder zur Schule laufen. Wo Straßen nicht nur Durchgangsraum, sondern Lebensraum sind.
Dass ausgerechnet im Nebennetz – also dem Rückgrat der quartiersbezogenen, kurzen Wege – kaum investiert wird, ist das Gegenteil von Klimaanpassung und sozialer Gerechtigkeit.
2. Verkehrswende? Fehlanzeige in der Zielsetzung
Fast noch absurder wird es bei den Zahlen zum Modal Split – also dem Anteil der verschiedenen Verkehrsarten:
Die Realität 2023:
- Fußverkehr: 31 %
- Radverkehr: 31 %
- ÖPNV: 3 %
- Kfz: 35 %
Die angebliche Zielgröße für 2025 (laut Bericht):
- Fußverkehr: nur noch 20 %
- Kfz-Anteil: wieder auf 43 % steigend
WAS?
Während die Stadt sich in der Realität mühsam zu einer lebenswerteren Aufteilung vorarbeitet, wird im Zielkorridor der Kfz-Anteil wieder nach oben geschraubt – auf Werte wie vor über zehn Jahren. Gleichzeitig soll der Fußverkehr, die klimafreundlichste und sozial gerechteste Form der Fortbewegung, massiv zurückgehen. Das ist entweder ein schlechter Witz oder ein eklatanter Fehler im Bericht.
Und damit nicht genug: Die tatsächlichen Ziele des Masterplans Verkehr oder des Klimaschutzszenarios 2035 – mit nur noch 25 % Kfz-Anteil – werden in dieser Vorlage mit keinem Wort ernsthaft verfolgt.
Fazit: Verwaltung im Blindflug?
Wir erwarten keine Wunder. Aber wir erwarten Ehrlichkeit. Und die ist in dieser Vorlage kaum zu finden. Statt klar zu benennen, dass Offenburg beim Straßenerhalt und bei der Umsetzung der Verkehrswende hinterherhinkt, werden widersprüchliche Zahlen präsentiert, die politisch nicht zielführend, sondern sogar rückschrittlich sind.
Wir fordern:
- Ein konkretes Investitionsprogramm für die Sanierung des Nebennetzes.
- Korrektur der Zielwerte zum Modal Split auf Basis der realen Fortschritte.
- Transparente Rückmeldung an den Gemeinderat und die Öffentlichkeit, warum die Ziele der Verkehrswende so eklatant verfehlt werden.
Verkehrswende braucht Ehrlichkeit, Verbindlichkeit und Mut. Diese Vorlage liefert bislang das Gegenteil.