Stellungnahme zum geplanten Hochhausprojekt am nördlichen Stadteingang Offenburgs

Mit Erstaunen und wachsender Sorge haben wir die überarbeiteten Entwürfe der Wittfoht Architekten für den nördlichen Stadteingang Offenburgs zur Kenntnis genommen. Vorgesehen sind zwei Hochhäuser, die das Stadtbild an dieser zentralen Stelle künftig prägen sollen. Aus unserer Sicht widerspricht dieses Vorhaben den Grundsätzen einer menschenfreundlichen, klimaresilienten und zukunftsfähigen Stadtentwicklung.

Maßstab Mensch – nicht Autoverkehr

Der dänische Architekt und Stadtplaner Jan Gehl zeigt seit Jahrzehnten, wie Städte lebenswert gestaltet werden können: für Menschen, nicht für Durchfahrt und Rendite. Seine Studien und Praxisprojekte weltweit belegen, dass eine gute Stadt aus Häusern mit maximal fünf Geschossen, aus vielfältigen Fassaden, belebten Erdgeschosszonen und öffentlichen Räumen zum Verweilen besteht.

Die jetzt geplanten Hochhäuser verfehlen all diese Kriterien:

  • Sie sprengen die menschliche Maßstäblichkeit und erzeugen ein abweisendes „Tor“ zur Stadt.
  • Sie beschatten und dominieren den öffentlichen Raum.
  • Sie erzeugen eine monofunktionale Architektur, die kaum soziale Interaktion fördert.
  • Sie widersprechen der Idee eines organisch gewachsenen, identitätsstiftenden Stadtbilds.

Stadt als Begegnungsraum, nicht als Silhouetten-Show

Was die Stadt am Stadteingang braucht, ist kein Hochhaus, sondern eine Einladung zum Verweilen, Flanieren und Ankommen. Der Stadteingang ist ein Ort der Schwelle – und sollte genau das auch räumlich abbilden: Übergang statt Abgrenzung.

Offenburg als 15-Minuten-Stadt denken

Wir brauchen eine Stadt, in der Wohnen, Arbeiten, Bildung, Versorgung und Freizeit innerhalb eines kurzen Radius erreichbar sind – zu Fuß oder mit dem Rad. Dieses Konzept der „15-Minuten-Stadt“ ist in vielen Kommunen weltweit zum Leitbild für lebenswerte Quartiere geworden.

Das geplante Projekt hingegen zementiert die funktionale Trennung zwischen Wohnen, Arbeiten und Verkehr. Es droht, Offenburg weiter zu segmentieren, statt die Stadt in lebenswerte, gut durchmischte Quartiere zu verwandeln. Jeder neue Nutzungsschwerpunkt ohne gute Durchmischung verlängert Wege, erzeugt Verkehr und widerspricht dem Ziel der Stadt der kurzen Wege.

Wir schlagen stattdessen vor:

  • Kleinteilige Blockrandbebauung mit vielfältigen Nutzungen (Wohnen, Arbeiten, Gastronomie, Kultur).
  • Begrenzung auf fünf Geschosse, wie sie Jan Gehl als maximal stadtverträglich beschreibt.
  • Begrünte Fassaden, klimaangepasste Materialien und offene Höfe mit Aufenthaltsqualität.
  • Durchlässige Wegeführung, die das Viertel mit dem angrenzenden Stadtraum verbindet.
  • Partizipative Planung unter Einbeziehung der Bürger:innen, wie sie vielerorts längst Standard ist.

Offenburg kann es besser

Offenburg hat das Potenzial, eine Vorreiterin für menschenzentrierte Stadtgestaltung zu werden – nicht durch Investorenarchitektur, sondern durch einen neuen Blick auf das Miteinander in der Stadt. Hochhäuser an dieser Stelle wären ein Signal in die falsche Richtung.

Wir rufen daher den Gemeinderat, die Stadtverwaltung und die Öffentlichkeit auf, dieses Projekt kritisch zu hinterfragen und neu zu denken.

Die Stadt der Zukunft entsteht nicht in der Höhe – sondern auf Augenhöhe.

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