Manchmal schreibt das Rathaus die besten Geschichten – und manchmal muss man als Beobachter einfach nachhelfen. Nehmen wir zum Beispiel einen gewissen Oberbürgermeister aus Offenburg, nennen wir ihn Marco S. Jede Ähnlichkeit mit realen Persönlichkeiten ist rein zufällig, literarisch unvermeidbar und selbstverständlich völlig fiktiv.
Unser fiktiver Marco S. ist politisch gesehen so etwas wie ein OB auf Wanderschaft – eine traditionsreiche Figur, die in Baden-Württemberg seltener geworden ist. In der Legende heißt es, er habe bereits einmal eine Amtsstube im kleinen Reich der Willstättner verlassen, als in der großen Stadt Offenburg ein Chefsessel frei wurde. Wie ein mittelbadischer Gandalf, der immer dort auftaucht, wo ein Rathaus gerade eine vakante Tür hat. Reine Fiktion, natürlich.
Und man muss sagen: Dieser Marco S. versteht es, aufzutreten.
Ein stets wohlgekleideter Geck, ein Beau im französischen Sinne des Wortes – akkurat sitzender Anzug, Krawatte wie mit Laser geschnitten, Haarscheitel mit GPS-Einmessung, vermutlich auf Staatskosten. Ein Mann, der beim „Grüß Gott“ noch den Stofffalten befiehlt, Haltung anzunehmen.
Mit der Wirtschaft ist er in dieser Glosse natürlich längst per Du. Mit dem Bürger hingegen pflegt er eher ein höflich-professionelles Verhältnis: freundlich lächelnd, aber auf einer Armlänge Abstand, als sei Nähe etwas, das man vorsichtshalber in der Hauptsatzung regulieren müsste.
Und so sitzt unser Marco S. eines Morgens über seiner Kaffeetasse, liest von der vakanten OB-Stelle in Baden-Baden und denkt:
„Warum nicht? Wenn ein Beau schon wandert, dann bitte dorthin, wo die Thermalquellen warm und die Kulturhäuser beleuchtet sind.“
Inhalt
ToggleFiktives Bewerbungsschreiben des wandernden OB-Beau Marco S.
Bewerbung um das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Baden-Baden
(Fiktiv. Satirisch. Rein literarisch.)Sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderats,
mit großem Interesse habe ich vernommen, dass Ihre traditionsreiche Stadt derzeit auf der Suche nach einer neuen Verwaltungs- und Repräsentationsspitze ist. Da ich als wanderfreudiger Kommunal-Beau stets bestrebt bin, meine Talente an Orte zu tragen, die den Glanz zu schätzen wissen, möchte ich Ihnen in aller Bescheidenheit meine Dienste anbieten.
Ich bringe aus meiner bisherigen Station – einer charmanten Stadt am Rande des Schwarzwaldes – eine Reihe von Erfahrungen mit, die für Baden-Baden von größtem Wert sein könnten:
1. Visionäre Großprojekte mit verzögertem Publikumserfolg
In meiner bisherigen Amtszeit gelang es mir, eine Landesgartenschau auf den Weg zu bringen, die – so sagen es die Fabeln in dieser Glosse – in der Bevölkerung noch wie ein junger Wein ruht: nicht ganz entfaltet, aber mit Potenzial für spätere Begeisterung, sobald jemand die Flasche öffnet.
2. Ambitionierte Haushaltsgestaltung
Ich habe erfolgreich ein finanzpolitisches Kunststück entwickelt, das in dieser Form selten ist:
Ein Schuldenstand, der das Wort „Million“ nicht scheut.
Es sind beeindruckende Zahlen, die beeindrucken sollen – und das tun sie auch.
Ob positiv oder negativ, darüber darf die Geschichte entscheiden.3. Mut zur Transformation im Sportbereich
Unter meiner Führung entstand ein innovativer Ansatz im kommunalen Sportstättenmanagement: ein Stadionumbau, der es schaffte, gleichzeitig Tradition zu würdigen, Steine zu versetzen und gelegentlich auch Stimmungen.
In unserer Glosse sprechen manche sogar vom „zerlegten Stadion“.
Ich nenne es: Modularisierung im Sinne der Zukunft.4. Kreative Neuinterpretation der Luftfahrt
Ich habe mich auch in der Luftfahrt hervorgetan.
In der hiesigen satirischen Überlieferung wurde aus einem lebendigen Fliegerverein ein:„Verein ohne Landebahn – aber mit viel Gesprächsbedarf.“
Eine mutige Form der Transformation, die sogar Pioniercharakter haben könnte, falls das Fliegen je neu erfunden wird.5. Raumgewinn durch großzügige Versiegelung
Ein weiteres innovatives Projekt war die Schaffung von rund 25 Hektar versiegelter Fläche – zumindest laut der glossierenden Erzähler, die es gut meinen, aber es gern etwas übertreiben.
Ob das wirklich jemand braucht?
Die Frage ist spannend, und ich habe gelernt:
Man muss Projekte nicht nur bauen – man muss sie auch erklären.
Am besten zweimal.Warum ich nach Baden-Baden will?
Weil Ihre Stadt Eleganz, Geschichte und ein feines Gespür für Inszenierung verbindet.
Ich wiederum bringe Erfahrung darin mit, Großes zu denken und die Bevölkerung anschließend liebevoll daran zu erinnern, dass Großes eben auch Raum, Zeit und Durchhaltevermögen verlangt.Ich verspreche Ihnen:
Wenn ich wandere, dann mit Stil.
Wenn ich regiere, dann mit Ambition.
Und wenn ich repräsentiere, dann mit einer Anzugfalte, die selbst Ihre Kurhausbeleuchtung neidisch machen wird.Für ein persönliches Gespräch stehe ich jederzeit zur Verfügung – idealerweise dort, wo der Kaffee gut ist und die Thermen warm sind.
Mit exzellenten Grüßen
Marco S. (fiktiv)
Wandernder Beau der Kommunalverwaltung
Experte für ambitionierte Projekte im Werden
Freund der Wirtschaft, Kenner höflicher Distanz zum Bürger
Der Gemeinderat staunt, denn so viel Selbstbewusstsein hat man selbst im mondänen Baden-Baden nicht täglich auf dem Schreibtisch.
Natürlich gewinnt unser Beau die Wahl nicht – alles andere wäre eine Überforderung für die Fiktion. Aber Baden-Baden hätte etwas gewonnen:
eine Geschichte über einen wandernden Oberbürgermeister, dessen Anzüge die Schwerkraft überlisten und dessen Nähe zur Wirtschaft vermutlich der Grund ist, warum er beim Bürger so selten drauftritt.
Vielleicht zeigt diese Fabel sogar etwas Grundsätzliches:
Manchmal muss man nur ein wenig Satire wagen, um zu erkennen, wie eng Stil, Macht und Distanz in der Kommunalpolitik miteinander verwoben sind.
Und wenn nicht –
wenigstens hat Baden-Baden jetzt eine gute Geschichte mehr.
Hintergrund: Warum Baden-Baden?
Baden-Baden sucht einen neuen Oberbürgermeister.
Nach dem Ausscheiden des bisherigen Amtsinhabers (Dienstunfähigkeit, Ende 2025) steht die Kurstadt vor einer richtungsweisenden Wahl. Die OB-Stelle wird bereits am 8. März 2026 neu vergeben – gleichzeitig mit der Landtagswahl. Und wenn eine Stadt mit so viel Glanz, Tradition und Thermalwasser plötzlich führungslos ist, darf man sich natürlich fragen: Wer könnte dieses Vakuum mit Stil füllen?
Baden-Baden besitzt eine besondere Mischung aus Kultur, Kurhaus, Casino und kommunaler Komplexität.
Die Stadt ist zugleich mondän und schwerfällig, glänzend und chronisch herausgefordert. Es braucht jemanden, der sowohl Repräsentation beherrscht als auch die Fähigkeit besitzt, ambitionierte Projekte zu verkaufen, die vielleicht nicht sofort verstanden werden.
Perfekte Voraussetzungen also für unseren fiktiven Wander-OB Marco S.
Warum überhaupt auf die Idee kommen, unseren OB dorthin zu „entsenden“?
In Offenburg – zumindest in dieser Glosse – hat unser wanderfreudiger Beau bereits eine beeindruckende Spur von Großprojekten hinterlassen, die schon jetzt in jedes kommunalpolitische Geschichtsbuch gehören:
- Eine Landesgartenschau, die bereits beschlossen ist, aber in Teilen der Bevölkerung noch nicht „gelandet“ ist – so wie ein Ballon, der zwar heißlufttechnisch bereitsteht, aber noch etwas Aufwind braucht.
- Rund 90 Millionen Euro Schulden, die sich – rein glossierend – wie eine moderne Skulptur über den Haushalt legen: groß, imposant, nicht unumstritten.
- Ein zerlegtes Fußballstadion, das noch auf seine endgültige Form wartet – ein Kunstprojekt zwischen Abriss, Umbau und Interpretation.
- Ein Fliegerverein, der in der Fabel dieser Satire ohne Landebahn dasteht, aber dafür mit reichlich Gesprächspotenzial.
- Etwa 25 Hektar potenzieller Versiegelungsfläche, die nicht jeder braucht, aber die sich in der kommunalpolitischen Erzählung als gewagte Vision halten.
In dieser Fiktion erscheint Baden-Baden plötzlich wie eine charmante Weiterbildungsstation:
eine Bühne, auf der ein wandernder Geck im Maßanzug endlich Publikum findet, das Eleganz ebenso schätzt wie ambitionierte Verwaltungsentscheidungen.
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