Volt gegen Campact: Ein Streit um Strategie und Relevanz

Die Bundestagswahl 2025 rückt näher, und mit ihr die strategischen Fragen, die sich viele Wähler:innen stellen: Welche Parteien haben realistische Chancen auf Mandate? Welche Wahlentscheidung ist sinnvoll, um bestimmte politische Ziele zu unterstützen? Eine besonders hitzige Debatte hat sich in den vergangenen Tagen zwischen der Partei Volt und der Kampagnenorganisation Campact entwickelt. Beide Akteure vertreten progressive Positionen, doch ihre Einschätzung zur Bedeutung von Volt für die kommende Wahl unterscheidet sich fundamental.

Campacts Kritik: Stimmen für Volt könnten verloren gehen

Campact, eine etablierte NGO, die sich für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Demokratie starkmacht, warnt in einer Kampagne vor einem Wahlerfolg von Volt. Die Kernargumente lauten:

  • Volt wird die 5%-Hürde nicht überwinden: Die Partei erreichte bei der letzten Bundestagswahl nur 0,4 % und liegt aktuell in Umfragen unter 3 %.
  • Verlorene Stimmen stärken indirekt rechte Parteien: Stimmen für Volt könnten im schlechtesten Fall unberücksichtigt bleiben, wodurch das progressive Lager insgesamt geschwächt wird.
  • Strategische Wahlentscheidung notwendig: Campact argumentiert, dass es sinnvoller sei, etablierte progressive Parteien (SPD, Grüne, Linke) zu wählen, um sicherzustellen, dass eine CDU-geführte Regierung verhindert wird.

Diese Argumentation folgt einem pragmatischen Ansatz, der sich auf Wahlarithmetik stützt. Campact sieht Volt nicht als realistischen Machtfaktor und plädiert für Konzentration auf Parteien mit gesicherter Bundestagspräsenz.

Volt wehrt sich: Wir sind entscheidend für eine progressive Mehrheit

Die Partei Volt sieht sich durch die Campact-Kampagne unfair behandelt und kontert mit einer eigenen Argumentation:

  • Volt wächst schnell: Die Partei hat nach eigenen Angaben seit der Europawahl 2024 ihre Mitgliederzahl verdoppelt und alle notwendigen Unterschriften für die Bundestagswahl gesammelt.
  • Neue Stimmen fürs progressive Lager: Volt behauptet, dass sie neue Wähler:innen mobilisieren, die SPD, Grüne oder Linke nicht erreichen.
  • Ohne Volt keine Mehrheit gegen CDU und AfD: Laut Volt könnten sie mindestens 32 Mandate ins progressive Lager bringen. Ohne sie drohe eine unionsgeführte Regierung unter Friedrich Merz.
  • Demokratische Vielfalt ist wichtig: Volt kritisiert, dass Campact einseitig etablierte Parteien unterstützt und damit kleinere, innovative politische Bewegungen benachteiligt.

Volt setzt damit auf einen optimistischen und mobilisierenden Ansatz, der auf den Wunsch vieler Wähler:innen nach neuen politischen Alternativen setzt.

Die grundlegende Frage: Ist strategisches Wählen sinnvoll oder schadet es der Demokratie?

Die Auseinandersetzung zwischen Volt und Campact wirft eine grundlegende Debatte auf: Sollte sich die politische Landschaft weiterhin auf wenige große Fraktionen konzentrieren, oder ist es Zeit für mehr Vielfalt im Bundestag?

Campacts Perspektive folgt einer pragmatischen Logik: Ein zersplittertes progressives Lager könnte es der CDU erleichtern, an die Macht zu kommen. Volt hingegen argumentiert für eine Stärkung demokratischer Vielfalt und warnt vor einer Bevormundung der Wähler:innen durch taktische Wahlempfehlungen.

Letztlich bleibt die Entscheidung den Wähler:innen selbst überlassen. Wer sicherstellen will, dass seine Stimme auf jeden Fall in den Bundestag einfließt, wird Campacts Argumente nachvollziehen können. Wer hingegen eine politische Erneuerung und eine größere Vielfalt im Parlament wünscht, könnte sich mit Volts Position identifizieren.

Die Bundestagswahl 2025 wird zeigen, welche Strategie aufgeht – und ob der Bundestag auch für kleinere Parteien ein Ort der politischen Gestaltung bleiben kann.

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Fotos: Volt Deutschland

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Dieser Beitrag hat 11 Kommentare

  1. Lisa

    🟢 Für die, die eine progressive Regierung anstreben und taktisch wählen wollen, ergibt sich tatsächlich eine Wahlempfehlung für Volt:
    Hier durchgerechnet mit 3 Szenarien, nach denen sich die Wahl entscheiden wird, ergibt sich: Wenn Volt nicht rein kommt, stellen sich Grüne und SPD schlechter, obwohl sie (wenig) mehr Sitze bekommen.

    1️⃣ Szenario: Volt zieht mit 5 % in den Bundestag (Beste Option für Fortschritt)
    Partei Sitze
    SPD 145
    Grüne 102
    CDU/CSU 193
    AfD 112
    BSW 48
    Volt 30
    Gesamt 630

    ✅ Volt verhindert eine rechte Mehrheit und sorgt für eine progressivere Regierung.
    ❌ Ohne Volt wäre das progressive Lager noch schwächer.

    2️⃣ Szenario: Linke zieht mit 3 Direktmandaten ein, Volt bleibt unter 5 %
    Partei Sitze
    SPD 148
    Grüne 104
    CDU/CSU 197
    AfD 113
    BSW 49
    Die Linke 19
    Gesamt 630

    ❌ Ohne Volt ist das progressive Lager schwächer als mit Volt.
    ❌ CDU/CSU hat bessere Chancen auf eine Regierungsbildung.

    3️⃣ Szenario: Volt verpasst den Bundestag, 2 % gehen stattdessen an SPD/Grüne

    Partei Sitze
    SPD 155
    Grüne 111
    CDU/CSU 199
    AfD 115
    BSW 50
    Gesamt 630

    ❌ Ohne Volt gibt es keine progressive Regierung.
    ❌ CDU + Rechte Parteien haben eine klare Mehrheit.

    1. Ralph

      Aber der Kanzler heißt auf jeden Fall Merz? Oder können wir das auch noch verhindern?

    2. Werner

      Überzeugend! Danke

    3. Solveigh

      Eine progressive Regierung? Was ist bei Volt progresssiv?
      Ein Adliger von einer Elite-Uni, der bei einer der ganz großen Consulting-Firmen gearbeitet hat oder arbeitet. Ich freue mich wirklich über jeden, der Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit wichtig findet. Aber sich einfach beim Grünen Wahlprogramm bedienen und bei den meisten Themen dann doch sehr nationale Unterschiede aufweist, s. Atomkraft, das aber nicht groß an die Glocke hängen, genau wie deren recht wirtschaftsliberale Abstimmungen.
      Wie so oft, dann doch lieber das Original, welches auch die Anfangsphase überwunden hat und eine gute und zukunftsorientierte Partei geworden ist.
      Bei VOLT sehe ich die gleichen Probleme wie bei BSW und sogar eher noch bei der Partei. Eine sehr heterogene Gruppe mit sehr heterogenen Ansichten (teils nur nach Ländern, teils nach Abgeordneten oder deren Abstimmungen), die sich erst noch zusammenraufen müssen.
      Volt wird viele Stimmen erhalten, aber die Wähler wissen vermutlich teils gar nicht die Positionen von VOLT.

      1. Ralph

        Vielleicht ist bei den Grünen etwas von den Gründerjahren verloren gegangen, was man sich jetzt wieder von Volt erhofft? Alleine mit der CDU, AfD, SPD und Grünen werden wir leider nicht vom Fleck kommen. Oder wo wären da unsere Chancen auf eine lebenswerte Zukunft?

    4. Biks

      Wie kommt die SPD auf so viele Sitze in deiner Betrachtung? Ist die AfD zur Zeit nicht zweitstärkste Kraft (5%-Punkte Differenz zur SPD) laut Prognosen? Auch die Grünen kommen ganz gut weg in Anbetracht von -7%-Punkten ggü. AfD. Was fehlt mir da? 🤔

  2. Karsten

    Ich bin jahrzehnte lang treuer CDU Wähler gewesen. Mein Glaube hält mich dieses Jahr, so traurig es auch sein mag, jedoch davon ab, meine Partei unter der wenig menschlichen Führung von Merz zu wählen. Deshalb werde ich dieses Jahr meine Stimme meinen Schülern schenken. Die haben sehr eifrig darüber diskutiert wen ich im Februar denn nun wählen soll, was mich wirklich mit einem gewissen Stolz erfüllt hat, und sind dann gemeinschaftlich zu dem Ergebnis gekommen, dass ich Volt für sie wählen soll. Ich halte mein Wort. Die Rentenpolitik von denen ist ja auch nicht so übel. Ich schieß mir also nicht ins eigene Bein. Bei meiner Recherche, wen ich denn da jetzt im Februar wählen werde, bin ich auch auf den Artikel von Campact gestoßen und jetzt auf diesen hier. Dieser hier gefällt mir mehr, weil er beide Seiten der Medaille beleuchtet. Und das macht einen guten Artikel meiner Meinung nach aus. Ich möchte so viele Informationen bekommen, wie notwendig um mir selbst eine Meinung zu bilden. Der Artikel von Campact diente meiner Auffassung nach nicht der Meinungsbildung. Hätte er sich wenigstens mit allen Kleinparteien befasst, hätte er wenigstens nicht diesen komischen Geschmack von “Stimmungsmache” gehabt. Also diesen Artikel hier kann ich tatsächlich loben. Und ich bleibe bei meinem Wort, welches ich meinen Schülern gegeben habe. Ich glaube zwar nicht, so wie ich die Zahlen aktuell sehe, dass Volt über die 5% Hürde kommt. Aber sie kommen bestimmt weit. Wahrscheinlich sogar ähnlich weit wie die FDP. Und dies ist nicht die letzte Bundestagswahl. Nennen Sie mich Pessimist in diesem Fall, aber wir bekommen eine CDU/Grüne Regierung mit wenig Kompromissbereitschaft. Wenn diese Regierung nicht vor 2029 aufgelöst wird, weil wir da einfach zwei Parteien haben die schwer mit einander zusammen agieren können, erwarten uns wahrscheinlich 4 Jahre wenig bis kein Fortschritt. Und genau das ist es doch, wovon Rechtsextme zehren. Das war 1933 schon so, das ist auch heute noch so. Nazis gewinnen immer dann an Macht, wenn es der Bevölkerung schlecht geht. Das lag damals nicht an den Juden, das liegt auch heute nicht an den Migranten. Am meisten profitiert eine AFD daher von CDU/Grün und Stillstand. Wenn Volt es dieses Jahr nur auf 3% schaffen sollte, in 4 weiteren Jahren sind es dann 8%. Und ich glaube langsam wirklich, dass wir eine Partei, die mir zu meiner eigenen Überraschung, immer besser gefällt (gibt wenige Punkte mit denen ich nicht ganz übereinstimme) spätestens 2029 sehr dringend brauchen werden. Daher sehe ich “meine” Wahlentscheidung also ebenfalls als Taktik an. Nur eben auf langfristige Sicht.

    1. Ralph

      Danke für diese ehrliche Einschätzung.

    2. Nikola

      @Karsten “Die Stimme deinen Schülern schenken” ist das schönste was ich seit langem gehört habe. Danke dafür, du bist sicher ein Klasse Pädagoge ❤️

  3. Lisa

    Karsten, danke für Deine weitsichtige und kluge Einschätzung, hilfreich für mich, nicht nur für Deine Schülerinnen und Schüler.

  4. Biks

    Ich bin auf diesen Artikel gestoßen, weil mir erst dank eines VOLT-Newsletters das Problem mit der Sitzverteilung und der 5%-Hürde bewusst wurde. So gerne ich auch ursprünglich VOLT gewählt hätte (trotz inhaltlicher Differenzen), glaube ich derzeit nicht an die notwendigen Stimmen für die 5%. Je nach Prognose stehen die “Sonstigen” derzeit bei 7%. Damit VOLT die 5% schafft, dürften alle anderen “Sonstigen” nur 2% erreichen, was ich nicht so recht glauben kann. Bei keiner/kaum einer Umfrage steht VOLT derzeit über 3%. Eine Aufholjagd kann ich derzeit nicht erkennen und bezweifle dies auch in Anbetracht der Position zum Ukraine-Krieg. Außerdem sieht VOLT die Partei “Die Linke” unter 5%, was der derzeitige Trend widerlegt.
    Da mir bei dieser Wahl mehr denn je wichtig ist, das Gegengewicht zu CDU-AfD im Bundestag zu stärken, bin ich unsicher, ob am Ende eine Stimme für VOLT nicht doch eine verlorene Stimme ist – die 32 Sitze sind ja derzeit rein hypothetisch. Daher werde ich mit meiner Stimmabgabe doch noch etwas warten und mich nächste Woche entscheiden.
    Partei-politisch ist verständlich, dass VOLT um jede Stimme kämpft. Aber wenn es um eine Stärkung des anti-faschistischen Lagers im Bundestag geht, ist die Gefahr von verlorenen Sitzen m.M.n. tatsächlich groß, wenn VOLT die 5% nicht schaffen sollte.

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