Das Baumkataster von Offenburg vermittelt auf den ersten Blick den Eindruck einer umfangreichen Erfassung des städtischen Grünraums. Tatsächlich sind darin 20.499 Bäume dokumentiert – eine beachtliche Zahl, die auf ein grundsätzlich wertvolles Instrument für den Schutz und Erhalt des Stadtgrün hindeutet. Doch bei genauerer Analyse der erfassten Zustände und Maßnahmen zeigen sich besorgniserregende Defizite.
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ToggleEin Kataster voller Lücken
Von den im Kataster erfassten Bäumen liegen nur für etwa 44,6 % Zustandsbewertungen vor. Die restlichen Bäume sind entweder unkontrolliert oder ihre Bewertungen sind derart veraltet, dass sie nicht mehr als valide Grundlage für Entscheidungen gelten können. Besonders alarmierend ist der Befund, dass der älteste dokumentierte Zustand eines Baumes aus dem Jahr 2006 stammt, ohne dass eine nachfolgende Kontrolle verzeichnet wurde. Angesichts der zunehmend herausfordernden Klimabedingungen und den wachsenden Anforderungen an das urbane Grün ist eine solch unzureichende Dokumentation fahrlässig.
Unverknüpfte Zustände und Maßnahmen
Während für etwa 13.331 Bäume Pflegemaßnahmen dokumentiert sind, weist nur ein Bruchteil dieser Bäume auch eine aktuelle Zustandsbewertung auf. Es fehlt eine systematische Verknüpfung zwischen Zustand und durchgeführten Maßnahmen. Dies erschwert nicht nur eine vorausschauende Planung, sondern verhindert auch eine transparente Dokumentation, warum bestimmte Eingriffe notwendig waren und ob diese wirksam waren.
Datenanalyse zeigt Handlungsbedarf
Unsere Auswertung hat gezeigt, dass der jüngste Höhepunkt an Zustandsbewertungen lange zurückliegt. Viele Bäume, die im Kataster gelistet sind, wurden seit über einem Jahrzehnt nicht mehr systematisch bewertet. Dies bedeutet, dass potenziell geschädigte oder gefährdete Bäume übersehen werden könnten, während unnötige Fällungen wegen mangelnder Daten als vermeintlich alternativlos erscheinen.
Auswirkungen auf den städtischen Grünraum
Ein mangelhaft geführtes Baumkataster hat weitreichende Folgen:
- Erhöhte Fällungsrate: Ohne belastbare Zustandsbewertungen steigt die Gefahr von vorsorglichen Fällungen.
- Gefährdung der Verkehrssicherheit: Umgekehrt können gefährdete Bäume unbemerkt bleiben und bei Windbruch oder starkem Regen zur Gefahr werden.
- Verlust wertvoller Ökosystemleistungen: Bäume leisten einen wichtigen Beitrag zur Klimaanpassung durch Schatten, Kühlung und Luftfilterung. Ein rückläufiger Baumbestand verringert diese Effekte.
Forderung nach einer umfassenden Strategie
Wir von der Konferenz für Urban Transformation Design (KfUTD) fordern die Stadt Offenburg auf, ihre Strategie für den Erhalt und die Pflege des städtischen Grünraums zu überdenken und zu modernisieren. Ein zeitgemäß geführtes Baumkataster muss mindestens folgende Elemente beinhalten:
- Regelmäßige Zustandskontrollen: Alle Bäume sollten regelmässig einer Zustandsbewertung unterzogen werden.
- Digitale Transparenz: Die Bürger:innen sollten Einblick in den Pflegeplan und aktuelle Daten haben, um Vertrauen in die Entscheidungen der Stadt zu gewinnen.
- Verknüpfung von Zuständen und Maßnahmen: Jede durchgeführte Pflegemaßnahme sollte mit einer vorherigen und nachfolgenden Bewertung verknüpft sein.
Ein sorgfältig gepflegtes Baumkataster ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit in einer Zeit, in der Städte eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Klimakrise spielen. Es ist Zeit, dass Offenburg diesem Anspruch gerecht wird – für den Erhalt unserer grünen Lebensadern.