Manchmal öffnet sich eine Tür erst, wenn die andere mit lautem Knall zufällt.
Das Aus der Offenburger Baumschutzsatzung fühlt sich für viele nach einem Rückschlag an. Für uns nicht. Es ist eine Gelegenheit, endlich dort anzusetzen, wo die Debatte hingehört: bei den öffentlichen Bäumen und beim verbindlichen Umgang der Stadt mit ihrem eigenen Grünbestand.
Inhalt
Toggle❌ Warum wir die alte Satzung nicht verteidigen
Wir Baumretter hätten uns grundsätzlich eine Satzung gewünscht.
Aber die Version, die jetzt vom Gemeinderat beerdigt wurde, war ein Irrweg.
Sie hätte vor allem Privatpersonen gegängelt, während der eigentliche Hebel – die Verwaltung und die kommunale Planung – unangetastet geblieben wäre.
Man kann damit einen Feigenbaum im Hinterhof regeln, aber keine Allee vor dem Kindergarten schützen. Keine Kastanienreihe an der Schulstraße. Keine Baumriesen, die jahrzehntelang Schatten spenden.
Und genau deshalb scheiterte die Satzung: Sie ging an den realen Problemen vorbei.
🌱 Was Offenburg wirklich braucht
Wir brauchen kein Regelwerk, das Bürger:innen bevormundet, sondern eines, das die öffentliche Hand verpflichtet.
1️⃣ Messbare Ziele statt vager Bekenntnisse
„Wir pflanzen, wenn es passt“ reicht nicht.
Wir fordern:
- Zielgrößen für die Kernstadt, nicht nur für Randlagen.
- Wachstum des städtischen Kronenvolumens, nicht nur neue Setzlinge.
- Unabhängiges Monitoring, damit Bürger:innen sehen, was wirklich passiert.
Ein gefällter Baum mit 50 Jahren und 8 Metern Krone hat einen Wert.
Eine frisch gesetzte Junglinde ersetzt ihn nicht – auch dann nicht, wenn sie in einer Excel-Zeile als „1 neuer Baum“ erscheint.
2️⃣ Verbindlichkeit für Verwaltung und Planung
Fällungen auf öffentlichem Grund dürfen nicht die stillen Kollateralschäden der Verkehrsplanung, Leitungsarbeiten oder „Optimierungen“ sein.
Wir fordern:
- Nachpflanzpflichten mit echter Kompensation (z. B. 1:3 oder 1:5)
- Schutz historischer Alleen
- Regeln für die Pflege und Trockenstress-Bewältigung
- Transparenz in Echtzeit: Wo fällt die Stadt? Warum? Was ersetzt sie wann?
3️⃣ Fokus Kernstadt statt Alibi im Grünen
Das größte Defizit liegt dort, wo Hitzeinseln entstehen:
- Einkaufsstraßen
- Wohnblöcke
- Spielplätze
- Schulwege
- Bushaltestellen
- Plätze und breite Straßen ohne Schatten
Wer die Kinder auf dem Schulweg im Sommer sieht, weiß:
Das Klima wird nicht am Ortsrand entschieden, sondern im Asphalt der Innenstadt.
🌳 Stadtbäume sind Infrastruktur – kein Schmuck
Wir erleben ein Denkproblem:
Bäume werden behandelt wie Accessoires – „nice to have“, solange sie nicht stören.
Aber Stadtbäume sind keine Zierde.
Sie sind Klima-Infrastruktur.
Sie senken Temperaturen, filtern Feinstaub, speichern CO₂, reduzieren psychische Belastung, verlängern Aufenthaltsdauer in öffentlichen Räumen, schützen Ältere und Kinder.
Sie sind das öffentlichste Gesundheitsprogramm, das eine Stadt besitzt.
Ohne Bäume wird Offenburg teurer, ungesünder und unsozialer.
🔁 Jetzt nicht „aufgeben“ – jetzt neu denken
Das Aus der Satzung beendet ein altes Kapitel.
Gut so.
Denn die alte Vorstellung war schlicht falsch:
Baumschutz = Privatleute regulieren.
Wir setzen ein neues Narrativ:
Baumschutz = Verantwortung der Stadt – sichtbar, verbindlich, messbar.
Das nimmt den Bürgern die Angst vor Bürokratie und richtet den Scheinwerfer dorthin, wo er hingehört: auf Verwaltung, Bauplanung und politische Prioritäten.
🧭 Der Weg nach vorn
Wir als Konferenz für Urban Transformation Design fordern:
- Ein Stadtbaum-Entwicklungsprogramm bis 2035
mit quantifizierten Zielen, klaren Etappen und Beteiligung. - Monitoring und jährliche Berichte
öffentlich abrufbar, verständlich, nachvollziehbar. - Baum- und Schattenquoten für öffentliche Bauprojekte
Kein Neubau ohne Kühlung. - Eine Klima-Priorisierung für Straßenräume
Nicht mehr Asphalt-first, sondern Mensch-first.
Diese Dinge lassen sich beschließen.
Sie sind nicht komplizierter als jeder Verkehrsentwicklungsplan oder jeder Haushaltsposten für Pflasterarbeiten.
Sie sind nur ungewohnt, weil sie Menschen statt Blech priorisieren.
✊ Unsere Botschaft an die Stadt
Wir wollen keine Alibi-Satzung.
Wir wollen, dass der Schutz und die Vermehrung der Stadtbäume Teil der kommunalen Verpflichtung werden.
Nicht, um Menschen zu kontrollieren.
Sondern um das Leben in Offenburg zu sichern.
Das ist die Chance.
Jetzt.
Nach diesem „Scheitern“.
Vielleicht zum ersten Mal ohne die alten Irrwege.
Wir sind bereit, daran mitzuwirken.
Siehe auch
Offener Brief an den Offenburger Gemeinderat
Liebe Damen und Herren des Gemeinderates,
mit Ihrer Entscheidung, die Bemühungen um eine Baumschutzsatzung zu beenden, wurde ein Weg geschlossen, der viele Menschen in Offenburg über Jahre gehofft, diskutiert und gekämpft haben ließ. Wir möchten Ihnen jedoch nicht vorwerfen, dass Sie diesen Weg nicht gegangen sind. Im Gegenteil: Wir möchten Sie dazu einladen, jetzt den richtigen einzuschlagen.
Die Debatte um die Baumschutzsatzung hat sich zu sehr um Privatgärten und Auflagen gedreht. Sie hat Ängste geweckt, Bürokratie vor Augen geführt und keinen echten Fortschritt für das Stadtklima ermöglicht. Doch der Kern des Problems liegt nicht im Hinterhof, sondern im öffentlichen Raum. Die Bäume, die Offenburg prägen, schützen und abkühlen sollen, gehören der Stadt – und damit Ihnen.
Wir wenden uns daher mit einer klaren Forderung an Sie:
Offenburg braucht ein verbindliches Stadtbaum-Entwicklungsprogramm – mit messbaren Zielen, Verantwortung der Verwaltung und Fokus auf die Kernstadt.
1. Verbindliche Standards für alle öffentlichen Bäume
- Keine Fällung ohne dokumentierte Begründung.
- Kompensationspflicht nach Wirksamkeit, nicht nach Stückzahl (z. B. 1:3 oder 1:5, abhängig von Alter, Kronenvolumen, Standort).
- Schutz von Alleen und bestehenden Baumbestandssystemen.
Ein einziger 40-jähriger Stadtbaum liefert so viel Kühlung, Verdunstung und Schatten wie 20 junge Neupflanzungen. Eine Satzung, die diesen Unterschied nicht anerkennt, schützt nichts.
2. Messbare Ziele statt Absichtserklärungen
Baumschutz darf nicht länger Gefühl oder Absicht sein.
Wir fordern messbare Größen:
- jährliche Steigerung des städtischen Kronenvolumens, nicht nur „Anzahl gepflanzter Bäume“.
- Priorisierung der Innen- und Kernstadt, wo Hitzeinseln am stärksten auftreten.
- Transparente Berichte, nachvollziehbar für Bürgerinnen und Bürger – nicht versteckt in Fachvorträgen oder PDFs.
3. Pflege, Trockenstress und Nachsorge als Teil des Schutzes
Ein gepflanzter Baum ist nicht automatisch ein erhaltener Baum.
Fällen, Pflanzen, Verdurstenlassen – das ist keine Klimapolitik.
Wir fordern:
- Bewässerungs- und Pflegekonzepte, die verbindlich sind und finanziert werden.
- Schnellverfahren bei Hitzeperioden.
- Beteiligung von Stadtgesellschaft, Schulen, Kitas und Initiativen, sofern gewünscht, aber nicht als Ersatz für staatliche Verantwortung.
4. Klimaresilienz als Leitprinzip
Bäume sind keine Dekoration.
Sie sind Teil der kommunalen Infrastruktur – so relevant wie Straßenbeleuchtung, Abwasser oder Spielplätze.
- Sie senken die Temperatur in Wohngebieten.
- Sie schützen Seniorinnen und Senioren vor Hitzeschocks.
- Sie ermöglichen Kindern, ihre Stadt im Sommer überhaupt zu nutzen.
- Sie entlasten Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen.
- Sie binden Feinstaub, beruhigen den Verkehr und fördern soziale Begegnung.
Bäume sind Lebensqualität, Gerechtigkeit und Gesundheit – besonders für jene, die nicht im Einfamilienhaus mit Garten wohnen.
Wir bitten Sie nicht um Symbolpolitik.
Wir bitten Sie um Klarheit, Verbindlichkeit und Verantwortung.
Die Ablehnung der Satzung hat gezeigt, wie schwierig es ist, private Räume zu regulieren.
Dann lassen Sie uns nicht länger Energie in diesen falschen Kampf stecken.
Lenken Sie die Debatte dorthin, wo sie hingehört:
Die Stadt muss zuerst sich selbst regeln, bevor sie andere reglementiert.
Unser Angebot
Wir als Konferenz für Urban Transformation Design, als Baumretter, als Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt:
- Wir helfen bei der Formulierung eines Stadtbaum-Konzepts.
- Wir unterstützen bei der Erarbeitung von Zielwerten und Monitoring-Methoden.
- Wir tragen Wissen aus anderen Städten ein: Heidelberg, Berlin, Freiburg, Münster, Hamburg.
- Wir organisieren Beteiligung – nicht als Feigenblatt, sondern als demokratischen Prozess.
Wir erinnern Sie freundlich, aber bestimmt:
Die Klimakrise wartet nicht auf Verwaltungsprozesse.
Die Baumverluste der letzten Jahre sind real, sichtbar und messbar.
Wenn Offenburg jetzt aufgibt, wird die Stadt die Zeche später bezahlen – sozial, gesundheitlich, finanziell.
Nehmen Sie das Scheitern der alten Satzung als Chance.
Nicht, um das Thema zu beerdigen –
sondern um endlich das Richtige zu tun.
Mit freundlichen Grüßen
Konferenz für Urban Transformation Design (KfUTD)
Offenburg
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