Ein lebendiger Pfahl, ein beherzter Austrieb – und eine Verwaltung, die damit nichts anfangen konnte.
Im Herbst 2024 haben wir mit ausgetriebenen Weidenpfählen auf leere Baumquartiere in Offenburg aufmerksam gemacht. Einer dieser Pfähle hat sich über den Winter still und leise zu einem lebendigen Gehölz entwickelt – eine kleine, aber kraftvolle Geste der Natur gegen das städtische Grünflächenvakuum.
Doch im Mai 2025 wurde dieser wachsende Hoffnungsträger von der Stadt entfernt. War das rechtens? War es notwendig? Oder einfach nur Ausdruck einer Verwaltung, die lieber Bäume pflanzt, wenn sie offiziell bestellt sind – und nicht, wenn sie von selbst wachsen?
Wir nehmen diesen Fall zum Anlass, die städtische Baum- und Pflanzpolitik satirisch, aber fundiert zu hinterfragen. Unser offener Brief an das Grünflächenamt Offenburg dokumentiert die Geschichte der kleinen Rebellin unter den Bäumen – und stellt ein paar unbequeme Fragen.

👉 Hier geht’s zum offenen Brief:
Inhalt
ToggleDer Fall der rebellischen Weide – oder: Wie ein Baum zu viel Eigeninitiative zeigte
Sehr geehrte Damen und Herren in der Abteilung für Grünflächen und Umwelt,
Lieber Fachdienst Baumkataster & Beseitigungswesen,
wir wenden uns an Sie mit einer kuriosen, aber zugleich sehr grundsätzlichen Frage: Ab wann ist ein Baum ein Baum – und wann wird er aus Prinzip wieder entfernt?
Im Herbst 2024 hatten wir – angesichts zahlreicher leerer Baumquartiere – ein kleines Zeichen gesetzt: Mit Weidenpfählen markierten wir jene Stellen im Stadtbild, an denen einst Bäume standen und heute nur noch traurige Lücken gähnen. Einer dieser Pfähle (und ersichtlich ein paar mehr), offenbar etwas zu lebendig geraten, ließ sich nicht entmutigen: Er trieb aus. Er bildete Blätter. Er strebte – ganz ohne Förderung, Patenprogramm oder Ausschreibung – dem Licht entgegen.
Er wurde Baum.
Oder hätte es jedenfalls werden können.
Doch letzte Woche wurde dieser aufmüpfige Spross nun – trotz erkennbarer Vitalität, trotz eines Umfangs jenseits der 10 cm und trotz städtischer Klimaziele – entfernt.
Das wirft Fragen auf. Viele Fragen:
🌱 Fragen zu Natur, Recht und Verwaltung
- Ab wann gilt ein Gehölz in Offenburg offiziell als Baum?
Reicht ein eigener Wurzeltrieb nicht? Zählt das Leben nicht? - Hat der Umfang des Stamms (deutlich >10 cm) keinen Einfluss mehr auf die Schutzwürdigkeit – oder nur bei nicht-oppositionellen Gewächsen?
- War der Baum bereits im Kataster – und wenn nicht: Warum nicht?
- Wer hat den Entfernungsauftrag erteilt – und mit welcher Begründung?
Gab es eine akute Gefahr? War er zu grĂĽn? Zu spontan? Zu wenig formell? - Wie steht die Stadt Offenburg zu organischer BegrĂĽnung durch natĂĽrliche Selbstheilung?
Ist sie nicht klimafreundlich, kostensparend und wachstumsorientiert im besten Sinne? - Und vor allem: Wurde hier etwa ohne Genehmigung ein Baum gefällt, der bereits unter Schutz stand – nämlich durch die städtischen Regelwerke selbst?
🌳 Vorschlag zur gütlichen Einigung
Wir schlagen vor, dem nächsten ambitionierten Pfahl zumindest eine Patenschaft „Wachse vorsichtig!“ anzubieten. Alternativ wäre ein städtisches Förderprogramm für „Spontanvegetation mit Transformationspotenzial“ denkbar – für alle, die sich dem Hitzetod entgegenwurzeln wollen.
Denn wie soll Offenburg je auf 20.000 neue Bäume kommen, wenn sogar die wenigen mutigen Vorreiter entfernt werden? Bepflanzen Sie diesen Herbst wenigstens die 30 leeren Quartiere in der Oststadt, die wir Ihnen bereits markiert hatten.
Aber mindestens erwarten wir von Ihnen, dass Sie sich auf dem Weg zu einer gelungenen Baumfördersatzung machen und nicht alleine die Diskussion darüber bereits abwiegeln.
Wir freuen uns auf Ihre Antworten
Mit freundlichen GrĂĽĂźen
im Namen der natürlichen Stadtverschönerung,
Ralph Fröhlich
fĂĽr die KfUTD
Dazu ein passender Sound von unserem neuen Stadtstaub Kollektiv: Offenburg, Pflanzt Bäume! Mann! https://open.spotify.com/intl-de/album/421Mf3vES7750tnleXjkkn
