Am Rande der Stadt-Raum-Debatte am 10. Mai 2025 hat der Runde Tisch der Landesarmutskonferenz BW sich in einem kleinen, aber engagierten Kreis mit einer der zentralen Fragen urbaner Demokratie beschäftigt: Wem gehört die Stadt?
Ausgehend von einem erinnerungswürdigen Moment im Mai 2024, als die Stadt Offenburg durch ein Gerichtsurteil daran erinnert wurde, dass öffentlicher Raum ein demokratisches Gut ist, diskutierten wir die politischen, sozialen und historischen Dimensionen des Stadtraums. Es ging um mehr als Verkehr, mehr als Aufenthaltsqualität – es ging um Grundrechte, um Teilhabe, um Sichtbarkeit für diejenigen, die allzu oft an den Rand gedrängt werden.
Wir danken allen Teilnehmenden für ihre Offenheit, ihre Erfahrungen und die klaren Forderungen, die im Workshop formuliert wurden. Die „13 Forderungen des Volkes“ aus dem Jahr 1847 bildeten dabei einen historischen Rahmen, an dem wir die Gegenwart messen konnten – und müssen.
Denn: Nur wenn die Stadt wirklich allen gehört, kann Demokratie im Alltag gelebt werden
Rede von Roland Saurer zur Stadt-Raum-Debatte am 10. Mai. 2024
Meine Damen und Herren,
liebe Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt,
heute ist der 10. Mai 2025 – ein besonderer Tag.
Vor fast genau einem Jahr, am 15. Mai, haben wir uns hier vorne auf der Straße versammelt. Wir haben einen ganzen Tag lang die Straße für den Verkehr gesperrt – mitten in der Stadt. Und da stellt sich natürlich die Frage: Was war eigentlich der Hintergrund dieses besonderen Ereignisses?
Abgesehen von den Inhalten ist mir an diesem Tag eines besonders aufgefallen:
Die Stadt Offenburg musste sich vom Verwaltungsgericht Freiburg sagen lassen, dass diese Stadt allen gehört.
Sie gehört nicht nur den Autofahrern. Sie gehört nicht nur den Radfahrern.
Der öffentliche Raum – das ist ein demokratisches Gelände.
Ohne diesen Raum, ohne legal zugängliche öffentliche Flächen, kann keine freie Meinungsäußerung stattfinden.
Wenn man zum Beispiel spontan eine Demonstration nach Artikel 8 des Grundgesetzes abhalten möchte – was eigentlich völlig legal ist – hat man keine Chance, wenn es keinen öffentlichen Raum dafür gibt.
Und genau dieser Frage „Wem gehört die Stadt?“ wollen wir heute in unserem Workshop nachgehen.
Denn wenn die Stadt nicht allen gehört, wenn bestimmte Gruppen keinen Zugang zu ihr haben, dann werden genau diese Menschen von ihren Grundrechten ausgeschlossen.
Ich selbst habe 20 Jahre lang die Wohnungslosenhilfe im St. Ursula-Heim in Offenburg geleitet.
Es war uns immer ein Anliegen, uns einzumischen – demokratisch und laut – und für gerechte Verhältnisse in dieser Stadt zu sorgen.
Schon 1998 haben wir das getan. Ich habe das Heft von damals sogar noch im Rucksack.
Wir sind damals zehn Tage lang zu Fuß von Offenburg und zehn Tage lang von Konstanz aus über Rottweil, Tübingen, Reutlingen bis nach Stuttgart gezogen – weil wir überzeugt waren: Die Stadt gehört allen.
Auch den Minderheiten. Auch den Obdachlosen. Auch den Bettlern. Und all den Menschen, denen es nicht gut geht.
Vielleicht müssen wir uns das gerade jetzt wieder bewusst machen:
Die Stadt Offenburg hat sich im vergangenen Jahr vom Verwaltungsgericht in Freiburg zurechtweisen lassen müssen.
Denn sie hatte geglaubt, sie könne gegen die Grundrechte der Bevölkerung durchkommen.
Doch das Gericht hat – demokratisch organisiert und auf Grundlage unseres Grundgesetzes – entschieden: Nein. So nicht.
Und genau darum geht es:
Demonstrationsfreiheit. Versammlungsfreiheit. Organisationsfreiheit.
Diese Grundrechte stehen im Zentrum unseres heutigen Workshops.
Ich habe einige historische Texte mitgebracht – unter anderem die „13 Forderungen des Volkes“ aus der Offenburger Erklärung von September 1847.
Sie sind aktueller denn je.
Wenn Sie Lust haben: Kommen Sie um 15 Uhr in unseren Workshop.
Wir werden diskutieren, uns austauschen – und vielleicht sogar einige heiße Vorschläge für die Stadtpolitik entwickeln.
Vielen Dank für Ihr Interesse.
Ich würde mich freuen, wenn wir uns dort sehen.