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Der Untergang der vielfältigen Offenbuger Demo-Kultur (aus Sicht des OT)

Zur Berichterstattung des OT vom 10. Mai 2024 und der zugrunde liegenden Presseerklärung von Hans-Peter Kopp, Beigeordneter der Stadt Offenburg.

  • https://www.bo.de/lokales/offenburg/offenburg-erwartet-kunftig-eine-demo-welt-la-freiburg
  • https://www.bo.de/lokales/offenburg/entscheidung-im-offenburger-baumzoff-das-sagen-die-stadt-und-frohlich
  • https://www.offenburg.de/de/gemeinderat-und-stadtverwaltung/presse/pressemeldungen/detail/nachricht-seite/id/19060-entscheidung-des-verwaltungsgerichts-in-sachen-strassenbaumfest/?default=true

Lieber Christian Wagner, Lieber Hans-Peter Kopp,

trauen wir dem Verwaltungsgericht eine gewisse Weitsicht zu, wenn es schreibt “Dabei sind die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen”. Oder weiter unten “auch auf neuen Protestformen wie beispielsweise Protestcamps”. Auch hierzu fände ich Ihre Sichtweise interessant 🙂 Weiter schreibt das Verwaltungsgericht “Auch Aktionsformen, mit denen in verschiedenen Varianten zeitweise eigentlich dem Kraftfahrzeugverkehr gewidmete öffentliche Straßen in Anspruch genommen werden, um für alternative Nutzungen zu werben, weisen in aller Regel versammlungsrechtlichen Charakter auf”.

Wir freuen uns natürlich, dass Sie zu Gunsten unserer Planungssicherheit auf den Gang zum Verwaltungsgerichtshof in Mannheim verzichtet haben. Planungssicherheit hätten wir uns schon vor einem viertel Jahr gewünscht. Ihre Kooperationsgespräche sind nicht so toll, wie Ihnen vermittelt wird, da geht es mehr um Druck, statt um Wohlwollen, wie uns andere Anmelder auch erzählen.

Sie wollen gut kontrollierbare Demos mit Kundgebung und Aufzug. Wo findet da echte Teilhabe an der geäußerten Meinung statt? Wie können sich da Teilnehmende einbringen, ausser eine zuvor festgelegt Strecke zu laufen und an den richtigen Stellen Hurra oder Buh zu rufen.

Das Versammlungrecht ist ausdrücklich dafür geschaffen, neue Protestformen auszuprobieren und legt eben diese Modalitäten, welche sie als Weg der Verhältnismässigkeiten bezeichnen, eben genau nicht fest. Vergleiche: Matthias Hettich, Versammlungsrecht https://kfutd.de/literatur/versammlungsrecht-in-der-praxis/ ein sehr lesenswerts Buch für Versammlungsbehörden und Menschen, die über Versammlungsrecht schreiben.

Wieso sollten wir uns vor Freiburger Verhältnissen fürchten? An Hamburg wollen wir gar nicht denken! Wenn es doch das Recht unserer Bürger*innen ist, friedlichen Protest auf ihre ganz eigene Art zum Ausdruck zu bringen. Eben dieser Protest bringt die dahinterstehende Demokratie erst richtig ins Leben. Vergleiche: Friedemann Karig, Was ihr wollt – Wie Protest wirklich wirkt, https://kfutd.de/literatur/was-ihr-wollt-wie-protest-wirklich-wirkt/

Und bei aller Müdigkeit, welche den Bürger*innen vorgeworfen wird, so bringt vielleicht erst wieder dieser Protest Bewegung in die vielfältigen Interessen unserer Gesellschaft. Warum haben wir Angst vor den anstehenden Wahlen? Vor einem Ruck in die Extreme? Vor einer Spaltung der Gesellschaft? Die Menschen spüren, dass sie nicht mehr wirkmächtig sind. Es gibt die Orte nicht mehr, wo sich die Menschen selbst gestaltend in diese Gesellschaft einbringen können. Es gibt sie natürlich doch, bzw. meine habe ich immer im ehrenamtlichen Engagement gefunden, aber es gibt sie nicht, wenn es um die großen Themen unserer Stadt geht. Zumindest gefühlt für die Menschen nicht, die sich abgehängt fühlen und das Vertrauen in Ihre Politik und auch in Ihre Zeitung verloren haben.

Wir ringen seit über einem halben Jahr um unsere Ausdrucksweise für die geplante Versammlung. Wir nehmen das wirklich so wahr, dass Sie dies nicht so haben wollen. Sie sagen zwar nur, dass es Ihnen einfach unverhältnismässig scheint, wenn wir da am Samstag einen halben Tag auf der Straße sind. Das passiert ständig aus vielen Anlässen. So wird an gleicher Stelle am Montag die Seite von Sachs und Budni über die komplette Länge angesperrt. Für eine Tiefbaufirma. Davon weiß hier im Quartier noch kein Mensch irgendwas, alle glauben, die Absperrung wäre für morgen, Samstag. Weit gefehlt. Aber Ihr Handeln stellt uns unter einen Druck, wo uns viele bewundern, dass wir das überhaupt aushalten.

Weiterhin verwenden Sie uns gegenüber eine Sprache mit den Adjektiven “unverhältnismäßig… leidvoll… lahmlegen… ausreizen…” und verwechseln “großzügig” mit “rechtmässig”. Wir wünschen uns eine differenziertere Betrachtungsweise.

Meinen eigenen Weg von Sympathieträger zur Nervensäge bestimmen Sie durch Ihre Berichterstattung. Für eigene Korrekturen fehlen mir hier reichweitenstarke, konkurrierende Medien, mit einer vielfältigeren Sichtweise. Sicher bin ich das Gesicht der Menschen, die hinter dem Straßen-Baum-Fest stehen und diese sind auch ganz froh darum, dass Sie diese noch nicht entdeckt haben. Warum machen wir uns überhaupt an Menschen und deren Emotionen fest, wenn es statt dessen um Inhalte gehen könnte. Einfach, weil es um die Auflage und nicht um die Sache geht. Ein schwieriger Weg für Menschen, die sich für ihre Belange im Quartier bürgerschaftlich engagieren wollen und seitens der Stadt gefühlt nur Steine in den Weg bekommen.

Aber einen Tag vorher gestehen Sie uns ja Planungssicherheit zu. Macht nix. Wir waren sowie vorbereitet. Und eigentlich hätten wir gerne gewusst, wie der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim seine Sicht der Dinge darstellt. Wir wären da zuversichtlich gewesen 🙂

Liebe Grüße
Ralph Fröhlich

Wir würden Sie gerne alle morgen auf unserer Versammlung sehen. Sie sind eingeladen!

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