Eine Gruppe von Menschen steht und hört einem Mann zu, der bei einer Veranstaltung im Freien in ein Mikrofon spricht. In der Nähe liegen auf einem Tisch Bücher und Broschüren aus, und auf einem Schild ist ein Symbol für Tempo 30 zu sehen.

Stadt Wandel Oktober -Versammlung auf dem Lindenplatz

Sonne, Stimmengewirr, Musik – und dazwischen fünf große Pinnwände voller Karten. Grün, Gelb, Orange, Pink und Weiß – jede Farbe ein Thema: Bäume, Klima, Verkehr, Soziales, Demokratie.

Zur Stadtwandel-Versammlung der Konferenz für Urban Transformation Design (KfUTD) kamen an diesem Samstagnachmittag viele Menschen vorbei, blieben stehen, schrieben ihre Ideen auf, diskutierten mit den Initiator:innen Nette Neufang, Ralph Fröhlich und Uli Albicker – und ließen sehen, dass Bürgerbeteiligung nicht in Sitzungssälen, sondern auf Straßen und Plätzen beginnt.

🟩 Stadtgrün & Bäume

1000 neue Bäume pro Jahr“ und „30 % mehr Kronenvolumen bis 2035“ – die Forderungen auf der grünen Wand machten klar: Klimaanpassung beginnt mit Schatten. Viele Ergänzungen kamen hinzu: „Mühlbach zu Erholungsplatz ausbauen“, „mehr öffentliche Beete“, „Bäume in der Wilhelmstraße nachpflanzen“.

🟨 Verkehrswende & Mobilität

Die orangefarbene Wand zeigte, wie stark das Thema die Menschen bewegt: Tempo 30, Schulstraßen, mehr Zebrastreifen, sichere Wege und besserer ÖPNV. Ein Besucher schrieb: „Barrierefreie Mobilität überall und für alle!“ Ein anderer: „Keine Autos in der Innenstadt – City-Busse statt Parkplätze.“

🟦 Klimaanpassung & Stadtgestaltung

Hier stand in großen Buchstaben: „0,5 % Entsiegelung pro Jahr“. Daneben Ideen für „Kühlzonen in jedem Stadtteil“, „Regenwasser speichern“ und „Schulen verschatten“. Ein Kommentar auf rosa Karte brachte es auf den Punkt: „Verdunstung statt Asphalt – Schatten statt Beton.“

🟥 Soziale Gerechtigkeit & Teilhabe

Pinkfarbene Karten sprachen von gerechter Stadtentwicklung: bezahlbares Wohnen, Stadtteil-Treffs, Armuts- und Reichtumsbericht.
Aber auch persönliche Stimmen fanden Platz: „Teilhabe für alle ermöglichen – Jugend, Handicap, Benachteiligte.“

🟧 Demokratie & Beteiligung

Die weiße Wand war der stille Kern der Veranstaltung: „Offene Bürgerversammlungen mit Ergebnis“, „Bürgerbudgets“,
Einwohneranträge digital & einfach“, „Jugendparlament verbindlich verankern“. Darunter handschriftlich:
„Wenn das ZDF kommt, weil wir nicht mehr miteinander reden – dann lasst uns lieber vorher anfangen.“

Stimme des Tages

Uli Albicker, OB-Kandidat 2026, ergänzte:

„Komplexe Städte kann man nicht von oben steuern. Beteiligung ist kein Luxus – sie ist die Voraussetzung, damit Offenburg funktioniert.“

Fazit

Zwischen Stadtcafé und Straßenbäumen wurde an diesem Samstag klar: Demokratie wächst, wenn man ihr Raum gibt. Und vielleicht war diese Versammlung der Moment, an dem Offenburg begonnen hat, seine Zukunft von unten nach oben zu gestalten.

Ralph Fröhlich. Ein Mann mit Brille und Bart steht neben einem großen Lautsprecher und Informationsplakaten bei einer Veranstaltung im Freien. An einem sonnigen Tag sind im Hintergrund Gebäude und ein Uhrenturm zu sehen.

🗣️ Rede von Ralph Fröhlich – Stadtwandel-Versammlung Offenburg, 11. Oktober 2025

Hallo zusammen,
ich bin der Ralph – und ich weiß nicht, ob man mich hier überall hört, aber wir haben gesagt: Wir stehen heute hier, weil wir über das reden wollen, was wir für Offenburg tun.

Wir – das ist die Konferenz für Urban Transformation Design, kurz KfUTD. Der Name klingt kompliziert, ja – aber die Themen, um die es geht, sind es auch. Und ich dachte: Wenn die Aufgaben schwer sind, darf der Name ruhig auch schwer sein.

Vom Baum zum großen Ganzen

Unser Ursprung liegt in der Bürgerinitiative für die Bäume in der Moltkestraße. Das war der Stein des Anstoßes, der uns auf die Straße gebracht hat – mit kreativem Protest, neuen Ideen und der Frage: Wie kann man es besser machen?

Aus diesem Engagement für einzelne Bäume ist etwas Größeres entstanden. Denn wer über Bäume redet, redet schnell über Klimaanpassung
und wer über Klimaanpassung redet, landet automatisch bei der Verkehrswende.

Warum? Weil die Flächen, die wir für mehr Grün, Schatten und Wasser brauchen, heute meist Verkehrsflächen sind. Und da müssen wir uns ehrlich fragen: Wie teilen wir diese Flächen künftig auf? Wer bekommt wie viel Platz – zu Fuß, mit dem Rad, im Auto, im Bus?

Und spätestens an dieser Stelle geht es nicht mehr nur um Technik oder Planung, sondern um soziale Fragen: Wen trifft der Wandel am meisten? Wer kann sich Mobilität überhaupt leisten – und wer bleibt auf der Strecke, wenn Stadtpolitik immer nur aus Sicht des Autos gedacht wird?

Und irgendwann, auf diesem Weg durch Bäume, Klima, Verkehr und Soziales, stößt man unweigerlich auf das Thema Demokratie. Denn all diese Fragen kann man nur beantworten, wenn die Menschen mitreden, mitgestalten und mitentscheiden dürfen.

Warum wir heute hier sind

Wir haben deshalb fünf Themenwände aufgebaut – zu Bäumen, Klima, Verkehr, sozialer Gerechtigkeit und Demokratie. Dort findet ihr erste Ziele, Vorschläge und Anregungen. Aber das Entscheidende ist: Ihr sollt ergänzen.

Schreibt eure Gedanken auf – ob als Kritik, Idee oder konkreter Vorschlag – und heftet sie an die Pinnwände. Wir sammeln das, bereiten es auf
und tragen es dorthin, wo Entscheidungen fallen: in den Gemeinderat, in Ausschüsse, in die Verwaltung. So wird aus Mitreden echtes Mitgestalten.

Thema 1: Stadtbäume

Wir haben in Offenburg seit 2018 über 3.000 Bäume verloren – Hitze, Trockenheit, Baustellen. Viele Standorte stehen leer, etwa 800 Baumquartiere in der Stadt. Das sind Orte, an denen schon einmal Bäume standen – und an denen wieder welche stehen könnten!

Unser Ziel:

  • Jährlich mindestens 1.000 neue Stadtbäume pflanzen
  • Bis 2035 30 % mehr Kronenvolumen – das ist messbar
  • Und: Die Stadt muss sich dazu selbst verpflichten,
    nicht nur Private durch eine Baumschutzsatzung kontrollieren.

Wir fordern, dass die Bevölkerung sich an Nachpflanzungen beteiligen kann. Viele Menschen wären bereit, „ihren“ Baum zu gießen, ihn durch die ersten Sommer zu bringen. Warum das nicht ermöglichen?

Thema 2: Klimaanpassung & Stadtgestaltung

Wie bleibt Offenburg lebenswert, wenn Sommer heißer und Winter trockener werden? Wir brauchen Kühlzonen in jedem Stadtteil
Schatten, Wasser und Grün als Grundausstattung.

Wer sich umschaut, sieht: Unsere zentralen Plätze sind oft steinern und glühend heiß. Marktplatz, Hauptstraße, Lindenplatz – kaum Schatten.
Während am Gerichtsplatz – oder besser gesagt: Gerichtsparkplatz – die Autos im Schatten stehen, während die Menschen in der Sonne braten.
Das gehört umgedreht.

Wir fordern:

  • 0,5 % Entsiegelung pro Jahr – nach Vorbild swe 0,5%-Initiative
  • Mehr Regenwasserspeicherung direkt in der Stadt
  • Schattige Schulhöfe und Spielplätze
  • Begrünung, statt Beton

Denn das ist nicht nur schön – das ist Überlebensstrategie für eine heiße Stadt.

Thema 3: Verkehrswende & Mobilität

Offenburg hat sich im Masterplan Verkehr vorgenommen, den Autoverkehr bis 2035 zu halbieren. Das ist ambitioniert – aber machbar, wenn der Wille da ist.

Wir fordern:

  • Schulstraßen für sichere Wege unserer Kinder – das Land Baden-Württemberg hat längst den Erlass dafür.
  • Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit – weil Tempo 30 Leben rettet.
  • Zebrastreifen überall dort, wo Menschen tatsächlich queren.
  • Und: Jährlich vier Kilometer neue Radwege.

Verkehrswende heißt nicht, dass niemand mehr Auto fahren darf. Aber sie heißt, dass alle sicher, bequem und klimafreundlich unterwegs sein können. Und dass Autos, die 23 Stunden am Tag stillstehen, nicht den größten Teil der Stadt beanspruchen.

Wir wollen mehr Platz für Menschen – mit Sitzgelegenheiten, Trinkbrunnen, Schattenbäumen. Denn da, wo Menschen gerne sind, da ist Stadt lebendig.

Schluss

Das waren meine drei Themen. Wenn euch etwas einfällt – Zustimmung, Widerspruch, Ergänzung – dann schreibt es auf. Unsere Pinnwände sind offen, unsere Ohren auch.

Wir reden hier nicht nur über Veränderung. Wir leben sie – Schritt für Schritt, Baum für Baum, und – wenn’s gut läuft – Straße für Straße.

Danke.

Uli Albicker. Ein Mann mit grauem Haar und Bart steht im Freien, hält Papiere in der Hand und trägt ein beigefarbenes Hemd mit einem angeklippten Mikrofon. Hinter ihm sitzen verschwommene Menschen an Tischen, und über ihm hängen Blätter von einem Baum.

🗣️ Rede von Uli Albicker – Stadtwandel-Versammlung Offenburg, 11. Oktober 2025

Vielen Dank, lieber Ralph.
Mein Name ist Uli Albicker, ich bin hier in Offenburg geboren, war auf der Eichendorff-Schule und dem Oken-Gymnasium, habe 16 Jahre im Ausland gelebt und bin seit rund 15 Jahren wieder hier.
Ich bin verheiratet, habe einen erwachsenen Sohn – und ich lebe gern in dieser Stadt.

Kennengelernt habe ich den Ralph, als das Thema Bäume in der Moltkestraße in die Presse kam. Ich hatte das zuerst gar nicht so auf dem Schirm – bis ich die Artikel las und mir dachte: Da tut endlich jemand was. Nicht nur reden, nicht nur schreiben, nicht nur klagen – handeln! Das hat mich beeindruckt.

Heute, ein paar Jahre später, glaube ich: Es gibt wohl kaum jemanden in Offenburg, der noch sagen würde, es wäre besser gewesen, die paar hundert Bäume einfach zu fällen. Im Gegenteil – wir sehen, dass dieser Protest richtig und notwendig war.

Veränderung als Chance

Wir leben in einer Zeit des Wandels. Global, wirtschaftlich, ökologisch – alles bewegt sich. Aber das war eigentlich immer so. Wie man sagt: Das einzig Beständige ist die Veränderung.

Veränderung ist nichts, wovor man Angst haben muss. Sie ist eine Chance, Dinge besser zu machen. Und genau darum geht es – sich anzupassen, neu zu denken, und die Stadt zu gestalten, in der wir leben wollen.

Komplexität braucht Beteiligung

Eine Stadt ist ein hochkomplexes Gebilde: viele Menschen, viele Interessen, viele Meinungen. Und komplexe Systeme, das wissen wir aus der Organisationslehre, funktionieren nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben.

Der Management-Experte W. Edwards Deming, der für Toyota die Produktionsphilosophie entwickelte, hat das auf den Punkt gebracht: „Komplexe Organisationen kann man nicht zentral steuern.“ Das gilt nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Städte.

Beteiligung ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Nur wenn viele Menschen sich einbringen, eigene Ideen entwickeln, Verantwortung übernehmen, dann entsteht Bewegung – und daraus kann Offenburg eine Modellstadt werden.

Eine attraktive, zukunftsfähige Stadt

In einer Studie der Unternehmensberatung Prognos aus Basel wird klar: Die Aufenthaltsqualität in einer Stadt – also Bäume, Plätze, Gastronomie, Mobilität – hat einen direkten Einfluss auf ihre wirtschaftliche Stärke.

Denn Fachkräfte, junge Familien, Unternehmen – sie schauen heute sehr genau hin: Wie lebt es sich dort? Ist das eine Stadt, in der man gerne ist, in der man bleiben will?

Die Stadt Aalen zum Beispiel hat gezeigt, wie das geht – sie wurde in der Prognos-Analyse als besonders attraktiv bewertet, und profitiert jetzt davon, dass Menschen genau dorthin ziehen wollen.

Das können wir in Offenburg auch. Wir müssen es nur wollen. Nicht 08/15 – sondern mit Anspruch: Wir packen an, wir gestalten, wir werden eine moderne, funktionierende Stadt, in der die Menschen gern leben.

Warum Beteiligung mehr ist als Mitreden

Ich möchte einen Gedanken aus der Psychologie einbringen: Beteiligung stärkt Motivation, Identifikation, Verantwortung und soziale Kompetenz.

Wer mitbestimmen darf, fühlt sich ernst genommen – und übernimmt Verantwortung. Das gilt im Betrieb, im Verein, in der Nachbarschaft – und genauso in der Stadtpolitik.

Deshalb ist Beteiligung nicht nur gut für das Gemeinwohl, sondern auch für jede einzelne Person. Sie macht stark, selbstwirksam – und sie fördert das, was wir heute am meisten brauchen: Zusammenhalt.

Soziale Gerechtigkeit & Demokratie

Ralph hat die ersten drei Themen vorgestellt – ich will kurz die beiden letzten ergänzen: soziale Gerechtigkeit und Demokratie & Beteiligung.

Soziale Gerechtigkeit entsteht, wenn Missstände schnell sichtbar und offen angesprochen werden können. Wenn Menschen miteinander reden,
informell vernetzt sind, und sich gegenseitig helfen, Probleme zu lösen, statt sie wegzuschieben. Darum geht es auch bei Themen wie:

  • Energiearmut bekämpfen
  • Stadtteil-Treffpunkte stärken
  • Freier Zugang zu Bildung, Kultur und Freizeit
  • Und einem Armuts- und Reichtumsbericht,
    der jedes Jahr zeigt, wo Offenburg steht.

Und Demokratie? Demokratie lebt davon, dass wir mitmachen. Nicht von oben verordnet, sondern von unten getragen. Wenn wir Beteiligung leben,
werden wir automatisch demokratischer, offener, menschlicher. Das ist kein Widerspruch – das ist der Weg.

Schluss

Lange Rede, kurzer Sinn: Wir können diese Stadt nicht von oben steuern. Aber wir können sie von unten gestalten. Wenn wir dranbleiben, wenn wir uns vernetzen, dann wird Offenburg zur Vorzeigestadt für Wandel, Mut und Zusammenhalt.

Danke fürs Zuhören – und danke an alle, die heute nicht nur reden, sondern handeln.

Presse

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