Im aktuellen Stadtgeflüster des Offenburger Tageblatts feiert Redakteur Christian Wagner den „Helden der Woche“ – einen Anwalt, der Tempo 100 auf dem Zubringer zurückerkämpft hat. Klingt harmlos? Ist es nicht. Der Kommentar steht exemplarisch für eine Haltung, die den Begriff Verkehrswende offenbar noch nie ernsthaft buchstabiert hat. Statt Verantwortung für Sicherheit, Klima und Lebensqualität einzufordern, wird der alte Reflex bedient: Autofahrer gut – Tempolimit böse.
Wir sagen: Genau diese Denkweise hält Städte wie Offenburg in der Vergangenheit fest. Wer Verkehr nur durch die Windschutzscheibe betrachtet, übersieht, dass jede Entscheidung für mehr Tempo eine Entscheidung gegen Menschen ist – gegen saubere Luft, gegen Lärmschutz, gegen Aufenthaltsqualität. Und gegen Zukunft.
Inhalt
Toggle📬 Leserbrief an das Offenburger Tageblatt
Betreff: Verkehrswende statt Rückschritt – Tempo 100 ist kein Fortschritt
Sehr geehrte Redaktion,
lieber Herr Wagner,
Ihr „Held der Woche“ mag ein Anwalt sein – aber der wahre Prozess, den Sie beschreiben, ist der gegen die Vernunft. Während halb Europa begreift, dass wir angesichts von Klimakrise, Verkehrslärm und Flächenfraß endlich umsteuern müssen, feiert das Stadtgeflüster den Rückfall in alte Muster: Mehr Tempo, weniger Denken.
Sie nennen Tempo 80 eine „ideologische Gängelung“. Wirklich? Ideologisch ist nicht das Tempolimit, sondern die jahrzehntelange Verklärung des Autos zur Heiligen Kuh. Wer heute noch glaubt, dass der Wohlstand einer Stadt davon abhängt, wie schnell man sie durchqueren kann, hat von Stadtentwicklung nichts verstanden. Offenburg braucht keine Zubringerhelden, sondern Menschen, die den Mut haben, umzudenken.
Dass Sie das Argument der Verdopplung der Unfallzahlen als Beleg gegen Tempo 80 verwenden, ist intellektuell halsbrecherischer als jede Autobahnfahrt. Vielleicht sollte man erst einmal prüfen, warum es mehr Unfälle gab, bevor man wieder Vollgas gibt.
Die Zukunft gehört Städten, in denen Menschen sicher und leise unterwegs sind – mit dem Rad, zu Fuß, im Bus oder der Bahn. Nicht solchen, die stolz darauf sind, Tempo 100 zu „erkämpfen“.
Mit freundlichen Grüßen,
Ralph Fröhlich
Konferenz für Urban Transformation Design (KfUTD)
Siehe auch
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