Ein deutsches Transparent mit der Aufschrift VERKEHRSWENDE JETZT! RADKOMMOTION.DE ist zwischen zwei Bäumen neben geparkten Autos und einem Kinderwagen auf einer Stadtstraße befestigt. Im Hintergrund sind Gebäude und ein Parkplatzschild zu sehen.

Warum Lahr Offenburg abhängt – und was wir endlich lernen müssen

Während in Offenburg noch endlos über Verkehrswende, Gehwegparken oder Schulwege diskutiert wird, macht die Nachbarstadt Lahr einfach. Und zwar richtig. Nicht, weil dort die Politik besonders mutig wäre – sondern weil die Verwaltung handelt, statt Ausreden zu suchen.

Am 10. Oktober 2025 stellten Martin Stehr (Abteilung Mobilität und Verkehr) und Carina Stuber (Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung) beim RadKONGRESS Baden-Württemberg ihr gemeinsames Vorgehen vor. Ihre Präsentation zeigt: Verkehrswende geht auch ohne politische Blockaden.

1. Verwaltung im Tandem statt Ressortegoismus

In Lahr arbeiten Verkehrsplanung und Straßenverkehrsbehörde Hand in Hand, nicht gegeneinander.
Sie bilden ein Tandem:

  • Planung und Anordnung greifen ineinander,
  • Entscheidungen werden fachlich abgestimmt,
  • die Politik gibt lediglich Empfehlungen, keine Vorgaben.

➡️ Ergebnis: Handlungsspielraum wird genutzt – nicht klein geredet.

2. Gehwegparken: konsequent geregelt statt geduldet

Was in Offenburg noch immer Konflikte und Beschwerden erzeugt, hat Lahr längst geordnet:

  • 2019 entwickelte die Stadt ein Gesamtkonzept für alle Straßen,
  • Ziel: Parken grundsätzlich auf der Fahrbahn,
  • klare Restbreiten:
    • 2,00 m in Gebieten mit Parkdruck,
    • max. 1,60 m (nur kurzzeitig) an wenigen Engstellen,
  • umgesetzt zum 1. Januar 2020, begleitet von Öffentlichkeitsarbeit.

➡️ Fußgänger*innen haben wieder Platz. Kinder können sicher auf dem Gehweg fahren (§ 2 Abs. 5 StVO).

3. Einbahnstraßen: fast alle für Radverkehr geöffnet

Lahr zeigt, was möglich ist, wenn man die StVO kennt und nutzt:

  • Nahezu alle Einbahnstraßen sind für den Radverkehr in beide Richtungen freigegeben.
  • Grundlage: ERA 2010, VwV-StVO und das Muster des Verkehrsministeriums BW.

➡️ Statt Angstdebatten über „Gegenverkehr“: klare Regel, sichtbare Schilder, gelebte Praxis.

4. Vorfahrt geändert – zugunsten des Radverkehrs

Selbst vor der Neuregelung der Vorfahrt schreckt Lahr nicht zurück:

  • Der Verkehrsbeirat prüft und gibt Rückmeldung,
  • bei Straßen mit starkem Radverkehr erhält dieser die Vorfahrt.

➡️ Mut zur Veränderung – wo das Fahrrad dominiert, gilt es auch im Straßenrecht.

5. Poller und Umlaufsperren: radikal abgebaut

Lahr hat sämtliche Umlaufsperren und zahlreiche Poller beseitigt.
Damit werden Barrieren für Kinder, Menschen mit Rollstuhl, Anhänger oder Lastenrad entfernt.

➡️ Mobilität für alle – nicht nur für die, die durchs Nadelöhr passen.

6. Tempo 30 an Zebrastreifen – präventiv statt reaktiv

Die Stadt nutzte sofort die neue StVO-Novelle 2024 (§ 45 Abs. 9 Satz 4 StVO):

  • Tempo 30 an Fußgängerüberwegen,
  • ohne Nachweis einer „qualifizierten Gefahrenlage“.

➡️ In Lahr schützt man Menschen, bevor etwas passiert – in Offenburg erst danach.

7. Schulwege: Tempo 30 werktags 7–17 Uhr

Zukunftsthema Nr. 1:

  • Tempo 30 auf allen hochfrequentierten Schulwegen,
  • Liste der betroffenen Straßen ist erstellt, Schulwegpläne in Arbeit.

➡️ Kinder sollen sicher ankommen, nicht statistisch durchrutschen.

8. Verkehrsversuch Willy-Brandt-Straße

  • Rechtsabbiegespur für Kfz provisorisch gesperrt, Radverkehr frei.
  • Ziel: Schulwegsicherheit, später Umbau mit größerer Aufstellfläche.

➡️ Temporär ausprobieren, dann dauerhaft umsetzen – genau so geht Transformation.

9. Öffentlichkeitsarbeit gehört zur Umsetzung

Lahr informiert, erklärt, bezieht ein.
Die Bevölkerung wird vorbereitet, nicht überfahren.
Das Ergebnis: Akzeptanz statt Empörung.

10. Verwaltung statt Politik

Das vielleicht wichtigste Fazit:

In Lahr wird gehandelt, weil man darf – in Offenburg wird gewartet, bis jemand sagt, dass man darf.

Die neue StVO und Verwaltungsvorschriften bieten längst Spielräume.
Lahr nutzt sie.
Offenburg nutzt sie nicht – oder zu spät.

Was Offenburg daraus lernen kann

  1. Verwaltung befähigen, nicht blockieren.
    – Fachwissen braucht Vertrauen, nicht Ausschussbeschlüsse.
  2. Recht anwenden, nicht fürchten.
    – StVO-Novelle 2024 erlaubt Prävention – das ist ein Auftrag.
  3. Öffentlichkeit einbinden.
    – Gute Kommunikation ersetzt teure Rückbauten.
  4. Kleine Schritte zählen.
    – Drei Poller weniger, eine Straße freigegeben – das ist Wandel.

Fazit

Lahr zeigt, wie Verwaltung zur Veränderungsmotorin werden kann.
Offenburg kann das auch – wenn Mut, Vertrauen und Wissen endlich Vorrang vor parteitaktischer Selbstverwaltung haben.

Es braucht keine neue Kommission, sondern neuen Willen.
Was in Lahr längst Alltag ist, darf in Offenburg kein Tabu bleiben.

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